Helmut M. Selzer
Pappenheim-Bieswang
 

 


  Zum Jahreswechsel 2009 auf 2010

Frauen und Männern, Partnern und Freunden,
mit denen ich im Jahr 2009 geschäftlich - gesellschaftlich - freundschaftlich verbunden war,
sende ich wieder einen Text :: Diesmal Thema 'Feind'.


Offen bleibt das Ende der Politfiction;
ein utopisches Gespinst? bedenkenswert? erstrebenswert? weltfremd?


"Wieso mußt du gerade um die Weihnachtszeit einen Text zum Thema Feind rundsenden? Das ist wieder eine deiner Provokationen. Wo es doch um Besinnlichkeit und Frieden, um Frohheit, Wohligkeit, wo es um das Christkind gehen sollte."

Nun Ja, vielleicht ist das Thema Feind um diese Jahreszeit unüblich. Aber ehrlicher als die tradierte Stimmungsmache ist es wohl. Ein Text zum Konventionen brechenden Nachdenken paßt zu dem christlichen Fest der Liebe, dem die kommerzialisierte Konsumierbarkeit von Gefühlen aus allen Knopflöchern guckt, und wo der falsche Schein golden glitzert.

Aber ich will nicht weiter über die Gefühle meiner Leser spekulieren.
Wen ich bis hierher verletzt haben sollte, der möge den Text sogleich vernichten.
Ihm wünsche ich ein gutes neues Jahr. ----

Wer weiter liest, begibt sich womöglich auf eine Nachdenk-Reise mit unbequemem Ziel.



Der imaginierte Feind - Begriffliche Feinde

Darunter verstehe ich Abstracta, solche Begriffe, welche Zustände, Befindlichkeiten, Haltungen im Sinne moralischer oder gesellschaftlicher Abart zusammenfassen. Sie können zu Komplexen aggregieren, können wuchern, werden bisweilen zu ideellen Monstern. Als Beispiele dafür stehen - für mich - Begriffe wie Börsen-/Banken-Kapitalismus, ausbeutende Globalisierung, Konsumismus, Bestechlichkeit und Korrumpierbarkeit, Drogenhandel, Wirtschaftskriminalität - und jeder kennt noch viele andere.

Es gibt eine Art innere Feindschaft, die einer für sich so benennt. Bisweilen erklären wir uns als Feind des einen oder anderen Begriffsinhaltes. "Ich bin ein Feind von Drogen", kann man hören; "bin ein Feind von Bestechlichkeit, ein Feind von Schlamperei im Berufsalltag, ein Feind von Ausbeutung, ein Feind von Niedertracht, ein Feind von unehrlichem Umgang mit sich selbst, mit anderen". Dieser Art gibt es viele Feindbilder.

Im Gespräch werden solche Feinde allerdings meist relativiert. Was übrig bleibt, ist die Formel 'ich lehne ... ab'.

Mit seinen begrifflichen Feindbildern gehe jeder nach eigenem Gusto um. Solche begrifflichen Feinde meine ich in diesem Text nicht. Ich denke an die personifizierten Feinde.


Mein Feind - die Person, die mich bekämpft, die ich bekämpfe

"Der U und ich, wir befinden uns in offener Feindschaft. Das kann jeder sehen." -- "Ich stehe dem V feindlich gegenüber. Ob mich der V auch als Feind ansieht, das weiß ich nicht." -- "Ich nehme an, daß mich der W als seinen Feind betrachtet. Ich kann ihn zwar nicht leiden; aber als meinen Feind betrachte ich ihn nicht."

Der Feind als Einzelperson, den gibt es. Wer kennte keinen? Viele haben jemanden zu ihrem Feind erklärt. Aber häufig tabuisieren wir das. Es schickt sich nicht, den andern als Feind zu benennen. Im täglichen Reden kommt er selten vor. Aber man denkt oft an ihn, sonst wäre er ja nicht mein Feind.

Was macht die Person zum Feind? Was erregt mich so sehr? Ist es jemand, der es versteht, mir die Partnerin abzuwerben, mein Vermögen zu beschädigen, von mir Entworfenes zu usurpieren, meine Gedanken zu stehlen, jemand der mein Hab und Gut, der mein Produkt zerstört, jemand der gefährliche Gedanken im Umlauf bringt, jemand der mir widerspricht? Ist mein Feind der Verführer, der Dieb, der Zerstörer, oder mein alter ego?

In die Nähe des Feind-Begriffes geraten bisweilen Begriffe wie Gegner, Widersacher, Konkurrent in recht verschiedenen Rollen als Chef, Kollege, Kritiker, Rivale, Parteifreund und manch anderen. Jedoch: Gegner zu haben, ist gesellschaftlich anerkannt; je mehr Gegner, umso höher ist oft das Prestige.


Unbekannte Feinde - Personen-Gruppen, Ethnien, Völker

Die Stämme und Völker Europas haben im Laufe von 1.400 Jahren viele Erfahrungen gesammelt mit Feinden jenseits der Grenzen und Feinden innerhalb. Zu Feinden konnten alle Menschen werden, die Anderes glaubten, andere Herrschaft anerkannten, andere Ziele hatten, andere Sprache sprachen, anderer Rasse oder Pseudorasse angehörten.

Und heute zählen dazu vor allem Menschen von draußen, die 'unseren' Wohlstand bedrohen, die 'unser' Glück gefährden, die 'unsere Freiheit' nicht respektieren, die 'unsere Sicherheit' bedrohen. Die Schlagwörter dazu weiß ein jeder. Manche deutschen Politiker sprechen in solchen Zusammenhängen vom 'Bekämpfen-Müssen'. Also handelt es sich ihrer Ansicht nach wohl um Feinde.

Glücklich sind solche Menschen, die sich vor keinem Feinde fürchten, die auch keinen Feind brauchen.


Ein Tag des Feindes

Bei der Suche nach nationalen und internationalen Gedenktagen fand ich vielerlei, so etwa den Welttag des Fernsehens (21.11.) oder den Welttag der Informationsgesellschaft (17.05.). Nur den internationalen Tag des Feindes fand ich bisher nicht. Dabei wäre der doch wichtig.

Des Feindes gedenken, ein utopisches Ansinnen? Auf den ersten Blick gewiß! Denn des Feindes gedenken, hieße über sich selber nachdenken. Des Feindes zu gedenken, hieße auch darüber Rechenschaft zu geben, warum ich den oder die Anderen als Feinde sehe, welchen Anteil an der Feindschaft ich selbst oder die von mir unterstütze Ideologie beigetragen haben und beitragen.

'Feind' hängt etymologisch mit 'hassen' zusammen, zumindest nach den gemeingermanischen Wurzeln des Wortes. Am Tag des Feindes diesen nicht zu hassen, sondern ihn zu bedenken, ihn aus anderer Sicht zu betrachten versuchen, den Grund, vielleicht sogar den Urgrund der Feindschaft ergründen wollen.

Damit wir unseren personifizierten Feinden - zumindest an einem Tag - etwas Gerechtigkeit widerfahren lassen: sprich, damit wir uns mit ihnen fernab von schabloniertem Denken wirklich auseinandersetzen. Übrigens, kein Schmusetag, kein Tag falscher Harmonie wie das mutierte kommerzialisierte Weihnachtsfest. Ein Tag der intellektuellen Redlichkeit.

Solch ein Gedenktag - der Person und der Motivlage des Feindes gewidmet - wäre ein nötiger Tag. Sollten wir ihn nicht etablieren? Wie wäre es mit dem 5. Januar?
Als neuer Gedenktag :: Internationaler Tag des Feindes. -- Politfiction?


Für die Geduld, mit der Ihr, mit der Sie meinen Gedanken gefolgt sind, bedanke ich mich.
Ansonsten, gutes Gelingen für das Projekt 2010 !

© Helmut M. Selzer (2009)